Ornamente der Fürsorge

Anne Meerpohl und ANna Tautfest, Material Bannerstoff UV-beständig, Maße 1) 90 x 240 Maße 2) 220 x 240 cm,  2022.

Mit Händen greifen, halten, schützen, mit Händen schreiben, beschreiben, mit Händen fühlen und be-greifen wir. Gesten werden unterstrichen, Finger verweben sich. Körper verknoten sich, reihen sich aneinander, gehen Verbindungen ein. Die Hand als Geste der Zuneigung, des sich Annäherns wird von Anne Meerpohl als Handzeichnung angefertigt und ruft Szenen des Miteinanders hervor. Kombiniert zu Mustern, Pattern, zu Gesten der Wiederholung schreibe ich (ANna Tautfest) sie dem Blicke-Kanon der Ornamentik ein und gebe den einzelnen, persönlichen Hand-lungen einen strukturierten und strukturellen Rahmen. Die fürsorgliche Hand, die Care-Geste bekommt in ihrer wiederholenden Tätigkeit eine Verstetigung im Muster zugeschrieben. Die Wiederholung, das nicht-Einzigartige, wird gerahmt und in ihrer Summe zum festgestellten Flirren eines Musters gewandelt. Bei der kollektiven Her-stellung spielt die Re-produktion die Rolle der Produktion, sie wird zur Figur erhoben und gelangt als Akteur_in in die Repräsentation. Der Verschränkung der verschiedenen Sphären in diesem Zusammenspiel – dem Multi-Perspektivischen von Arbeit, Zugehörigkeit, Herstellung und Kümmern – wird repräsentativ auf einem Banner, einem Aushängeschild Ausdruck verliehen.

Einbettung wiederum fanden die Ornamente an den Containerwänden der Care-Station der kollektiv arbeitenden Gruppe “Experimentelle Klasse”. Sie dienten als Außenfassade – als Gesicht – als Innenraumerzeugende als Bezugnahme, als schützende Hülle. Die Konstellation der Banner in performativen Workshops, Lesungen, mit Postern hat in neuerlicher Überschneidung Atmosphären, Begegnungen und Gespräche begleitet und mit hervorgebracht. Das kollektive Arbeiten wird nicht nur zum Produktionsprinzip erhoben, es birgt auch eine eigene Wirklichkeit und Lebensweise, ein miteinander Denken und Arbeiten, das sich loslöst von einzelner Repräsentation. Die Neu-Kombination erzeugt ihren Inhalt jeweils mit.

Artists Biographies

Anne Meerpohl ist kuratorische Assistenz im ICAT der HFBK Hamburg und außerdem als freie Künstler*in, Autor*in und Kurator*in in Hamburg tätig. 2022 absolvierte Meerpohl den Master of Fine Arts an der HFBK Hamburg, ist Mitbegründer*in des Cake&Cash Collective und war Mitglied des Kollektiv Experimentelle Klasse, initiiert von ANna Tautfest und Joke Janssen. Meerpohl arbeitet zu Themenschwerpunkten wie Produktionsbedingungen, Körper, Fluidität und Fürsorge und war kollaborativ, kollektiv oder im Alleingang zu sehen u.a. im MARKK – Museum am Rothenbaum, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Kunstverein Harburger Bahnhof und weiteren.

ANna Tautfest is an artist based in Berlin and Hamburg. She has a diverse educational background, having studied fine art at the University of Art (UdK) in Berlin, the Art Students League in New York City, and the Academy of Fine Arts (HfbK) in Hamburg. At UdK she studied Media in the class of Hito Steyerl and Angela Melitopoulos. During her time at the HfbK, she had the opportunity to learn from artists such as Thomas Demand and art theorist Hanne Loreck. In 2014, she graduated with an MFA degree in photography and theory.

ANna Tautfest’s artistic practice lies at the intersection of fine art and text production. She expresses her ideas through various mediums, including art installations, performances, AI-prints, relief photographs and book formats. Her performances often involve audience participation and collaboration, creating a sense of communal engagement through activities like eating, reading, writing, and sharing. Through these interactive experiences, a collective text-tapestry is woven, incorporating verbal contributions, recordings, and written tracks.

In her series “de-grid” she explores the underlying norms and patterns that are part of our everyday life through the abstract projection of grids in ways, so that they shatter and sometimes dissolve, captured on photographic paper. This visual materialization of making space within the grid refers to nonconforming ways of living, seeing and being.

The relationship between theory and creativity is a crucial aspect of ANna’s work. Her art is informed by theoretical concepts and discourses, while her texts reflect her artistic practice. She also imparts this entanglement of theory and creativity to her students through her academic teaching in the field of art.

In 2021, while teaching at the HfbK Hamburg, ANna Tautfest published the book “Kanon,” which explores artistic research within the context of her teaching. Additionally, she recently completed her PhD thesis at the HfbK, focusing on temporal nonlinearity and the impact of speculative narration on the perception of history. Her PhD thesis, titled “Near Future. Futur II it will have been,” was written under the guidance of Hanne Loreck and Michaela Melián.

ANna Tautfest arbeitet als Künstlerin und Autorin in Hamburg und Berlin. Sie bewegt sich an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst und Textproduktion und gibt diesen Hybridformaten im Kunstkontext und in Büchern Raum. Texte und theoretische Auseinandersetzungen prägen sich in Tautfests künstlerische Arbeit ein, die Kunst drückt sich in ihre Texte ab. Diese Denk-Wirk-Kombination gibt sie auch in künstlerisch-wissenschaftlicher Lehre an Studierende weiter. In diesem Kontext ist ihre 2021 erschienene Herausgabe →Kanon an der Kunsthochschule Hamburg im Bereich artistic research entstanden. Tautfest promovierte hier künstlerisch-wissenschaftlich zum Thema zeitliche Nicht-Linearität und den Einfluss spekulativer Narrationen auf die Wahrnehmung von Geschichte und Zukunft bei Hanne Loreck und Michaela Meliàn. Die Auseinandersetzung mit künstlerischen Produktionen spekulativer Narrationen und philosophischen Zeitkonzepten entspricht Tautfests Ansatz, Genre-Teppiche zusammenzudenken.
Die Verbindung von theoretischer Auseinandersetzung und bildnerischen Methoden ist Tautfests Denken und Arbeiten eingeschrieben. So entstehen oft kollektive Arbeiten, die sich eindeutiger Autor_innenschaft entziehen wollen.

 

 

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